2001 verschlug es mich nach Bünsdorf am Wittensee, einem recht abgelegenen und schön gelegenen Ort. Grund war der zweite von zwei Zivildienst-Lehrgängen. Das gastgebende Erholungs- und Bildungszentrum bewarb unter anderem das Dinghi am See und so ging es regelmäßig zu dritt oder zu viert und mit ein paar Drinks los. Weitere Freizeitmöglichkeiten: Der Bolzplatz im Dorf (der mitkickende Pastor wollte mir nach einem Fallrückziehertor (!) schon die Plakette für das “Tor des Monats” überreichen, hatte diese aber vergessen) und der Tischkicker in einem über diese zwei Wochen mit ausgetrunkenen Bierdosen vollgestopften Kellerraum.
Kamera: Canon IXUS 145
Location: Bünsdorf
Oktober 2021
Frühling 2020, erster Covid-19-Lockdown. Eigentlich sind Ferien. Danach arbeitssame Verstauungsoptimierung im Keller, Auflösung des Ateliers nebst Abschlussausstellung, Umbau der Garage, wöchentliche Lauftreffs zu zweit, illegale Drei-Mann-Parties auf alten Brücken. Und E-Mails schreiben mit Giulia, einer Kunststudentin aus Buenos Aires. Ein angenehmer und spannender Zeitvertreib während der um sich greifenden Monotonie. Und Ideen hatten wir: Split-Filme! Jeder ballert in seiner Gegend einen Film voll, schickt ihn dem Anderen zu und der belichtet ihn ein zweites Mal. Hier zeige ich in loser Folge Bilder des Films, der aus Argentinien zu mir kam. Meine Motive entstanden im massiven Drogenrausch – oder doch nur mit einem Makroobjektiv, um CDU-Bierzeltpunks heute mal nicht zu verstören…
Mimigernaford ist der altsächsische Name von Münster. Das Herz dieser Stadt stellt sicher der Prinzipalmarkt an der Lambertikirche dar, der ungefähr im späten 13. Jahrhundert an dieser Stelle entstand. Wenige Zeit später entstand die dort heute noch prägende Architektur. Der Name selbst entstand erst im 17. Jahrhundert und ist gleichbedeutend mit Hauptmarkt.
Kamera: Canon T70
Film: Kodak Color Plus 200
Location: Münster
Juli 2020
Wir brauchen mehr Straßen und Autobahnen. Denn des Deutschen Natur ist es, viel und schnell Auto zu fahren. Nach Vollbremsungen halten wir es nicht mehr lange aus, drücken gleich wieder aufs Gaspedal. Ohne Rücksicht auf Andere, ohne Rücksicht auf uns selbst.
Als 2014 Club-Ikone Hermann Rieger starb, vernichtete kurz darauf der Größenwahn den Hamburger Sport-Verein endgültig. Sechs Jahre später starben zwei weitere Ikonen, die ihr jeweiliges Genre nicht nur mit ihrem begnadetem Talent bereicherten, sondern abseits dessen aufzeigten, wie schwierig und ambivalent das wirkliche Leben sein kann. So starben Kendall Chin a.k.a. Mr. Chi Pig und Diego Armando Maradona vielleicht nicht unerwartet, aber dennoch viel zu früh. Der Eine war die Ikone des Skatepunk, wohl nur Wenigen bekannt, der Andere verzauberte beinahe den gesamten Erd- mit (s)einem Fußball. Beide waren trotz ihres Status viel zu sehr Mensch. Viel zu sehr Mensch, als bloß Stoff für eine gelackte und einseitige Lobschrift zu bieten.
Der Punkrock als Protestmedium und Subkultur bleibt hoffentlich, die Seele des Fußballs hingegen starb mit Diego endgültig. Ob es noch ein wirkliches Innehalten nach einer Vollbremsung gibt? Wir werden sehen, was 2021 und die weitere Zukunft bringen.
Kamera: Canon EOS 600D
Location: Autobahnraststätte Bimöhlen
April 2020
Was war das für ein entspannter Covid-19-Sommer? Fast könnte man meinen, alle Stühle wären abends besetzt gewesen. Aber, man ahnt es, ein Toilettencontainer reichte völlig aus.
Kamera: Canon T70
Film: Kodak Color Plus 200
Location: Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Juli 2020
Bereits bevor in diesem Sommer die Autoritäten der vermeintlich glorreichen Vergangenheit infrage gestellt wurden, lichtete ich in meinem Heimatort Kellinghusen diverse militärische Gedenkstätten ab. Nicht nur nahe der ehemaligen Bundeswehrkaserne wurde ich fündig, auch in einem kleinen Park auf meinem alten Schulweg und vor allem um die evangelisch-protestantische Sankt-Cyriacus-Kirche herum.
Den “Heldentod” starben diese Menschen, sie “fielen”, so steht es dort in Stein geschrieben. Schon als Kind irritierte mich der Begriff “gefallen” in diesem Zusammenhang. Gerade an Geburtstagen meiner Großeltern fielen solche Worte, wenn sich die Alten an Cousin X und Bruder Y, die den Zweiten Weltkrieg nicht überlebten, erinnerten. Sie “fielen”. Hin? Weich? Auf’s Maul? Wie reifes Obst von den Bäumen? Nein. In der englischen Sprache benennt man es unverblümter: killed in action, getötet im Krieg. Und waren sie Helden, weil sie für “uns” kämpften? Für und um was kämpften sie eigentlich für “uns”? Im deutsch-französischen Krieg, der vor genau 150 Jahren im Jahr 1870 losbrach und nach knapp einjähriger Dauer eine katastrophale Kette voller Vergeltung nach sich zog? Im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918? Und im Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945? Zogen hier wirklich Helden in Krieg? Und waren sie tatsächlich auch Opfer?
Denn nur die Besten sterben jung.
In Overndorf erinnert eine kleine Stele an den vor 150 Jahren begonnenen Deutsch-Französischen Krieg – den Grundstein für das Unfassbare, das in den nächsten Jahrzehnten folgen sollte.
Die Umgebung der Kellinghusener Sankt Cyriacus Kirche ist voll mit militärischen Gedenkstätten. Übrigens: Einmal lehnten sich deutsche Soldaten doch auf: Am Ende des Ersten Weltkriegs kam es zum sogenannten Matrosenaufstand, der das marode Kaiserreich endgültig zusammenbrechen ließ.
Bruder Z ist dort und dort “gefallen”, hörte ich als Kind die Alten reden. Dieses Wort in diesem Zusammenhang fand ich damals schon irritierend, heute schönfärbend.
Ob er wenigstens von Zuhause Humanismus mitbekam?
Es ging ja immer um eine gute Sache!
entdeckt in der Vorbrügger Straße
Und heute? Da glauben in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) einige Genoss_innen mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht etwas gegen den in der Bundeswehr immer stärker aufkeimenden Neo-Faschismus unternehmen zu können. Wenn eine völlig überalterte und empathielose Partei mal wieder ‘ne Idee hat. Wie wäre es mit Prävention und Geschichtsunterricht, der nicht nur aus Statistiken und Moralblabla besteht, sondern in dem gezielt lokale Opfergeschichten aufgearbeitet werden? Aber Sozen raffen mittlerweile gar nichts mehr außer bestenfalls Posten und Positionen.
Ausgiebige miltaristische Früherziehung funktioniert definitiv schon in Kindergärten! Margot Honecker gefällt das.
Gemeinsame exzessive Selbstdarstellung ist auch irgendwie Kommunismus! Die konterrevolutionäre “Zeit” schießt demnächst garantiert dagegen – wie jede Woche eigentlich.
Nur hier: Baretts im Che-Guevara-Look! Und: Maduro-Patches zum Schnäppchen-Preis!
East Side Gallery: Künstler_innen aus dem “westlichen” Kulturkreis bringen ihre Gedanken an ein Reststück der Berliner Mauer. Aus dem gleichen Grund mag ich keine Filme über das Leben in der DDR – es sind Filme von Westlern für Westler.
Heute: Fahrradlenker statt Gewehrlauf.
Zeit heilt keine Traumata.
Kamera: Nikon F-401x
Film: Agfaphoto APX 100
Location: Berlin
Oktober 2018
In einem Provinzkaff, in diesem Falle Kellinghusen, Kunst zu zeigen, scheint durchaus problematisch zu sein, aber warum sollte man es eigentlich nicht machen? Und so ergab sich für mich die Möglichkeit, mein Thema und meine Fragen in einer kleinen Galerie zu zeigen und zum Nachdenken anzuregen.
Auf diesem Wege bedanke ich mich bei allen Interviewten beziehungsweise Portraitierten, bei den zahlreichen Besuchern und vor allem denjenigen, die mir weitere Interpretationen geliefert haben, bei Sonja und Sophia für das Sortieren und Korrigieren der Texte für das Beiheft, bei meinem Arbeitgeber BiBeKu GmbH für die günstige Druckgelegenheit, bei Jasper für die englische Untertitelung des Videoessays, bei meinen Eltern für das Bier-Sponsoring und bei Robin für die Bereitstellung des perfekten Ausstellungsraums.
Ausstellung im Ku1 – Raum für aktuelle Kultur in der Hauptstraße 52 in Kellinghusen vom 25. Mai bis 24. Juni 2018. Thema: Stille und Stillstand.
49 Menschen befragte ich von Juli 2015 bis September 2017, was “Stille” und “Stillstand” für sie darstellten. Während der Ausstellung kamen noch weitere Antworten hinzu.
Gezeigt wurde ein Videoessay mit ausgewählten Antworten und zum Thema passenden Zwischentönen.
Neben Videoelementen sowie abstrakten und antinaturalistischen Photographien wurden sieben Interviews präsentiert.
Kurioser Gast, der letztlich einen Feuerwehreinsatz auslöste.
David Hasselhoff war auch da.
Am letzten Ausstellungstag war die Hütte nochmal gut besucht.
Hierzulande “stiller Ort” genannt, in Japan wird klassische Musik beim Stuhlgang gehört – oder das Geräusch gluckernden Wassers, um Fürze zu übertönen.
Jessicas Bild hing zwar nicht an der Wand, landete aber im Beiheft, in dem alle 49 Antworten inklusive ihrer nachzulesen sind.
Mancher Gast, wie hier Co-Lektorin Sophia, hinterließ seine Gedanken zu den themengebenden Begriffen.
In dieser Gegend ist nichts, nur die pure Langeweile. Es wird Zeit, dass endlich die A20 kommt, um diesen leeren Raum effektiv zu nutzen. Denn Ökonomie ist dieser Tage das Wichtigste.
Kamera: Nikon F-401x
Film: Ferrania Solaris 200 (exp.
Location: Weite zwischen Moordorf und Osterhorn
Januar 2018